Mazedonien 2017

Mazedonien

Kleines Land mit großer Vergangenheit

Einführung

„Wie, einfach mal so für 14 Tage nach Mazedonien?“ – Die erstaunte Reaktion auf meine Auskunft, wo denn unsere Reise kürzlich hingeführt hatte, zeigte mir, wie viel Unkenntnis herrscht über dieses kleine Land, das von Deutschland aus näher liegt als Griechenland. Sicher, im Zusammenhang mit Alexander, dem großen Makedonier, war dieser kleine Binnenstaat im südlichen Balkan den meisten ein Begriff, darüber hinaus vielleicht noch als einer der Brennpunkte der Flüchtlingskrise 2015, als im griechisch-mazedonischen Grenzort Idomeni Tausende von Flüchtlingen unter erbärmlichen Umständen festgehalten wurden.

Wer von „Mazedonien“ (oder „Makedonien“) spricht, muss, wenn es der Zusammenhang nicht klar beschreibt, eigentlich genauer definieren, was er mit dem Ausdruck meint: den besagten Staat in Südosteuropa (um den es uns hier geht), die gleichnamige Region in Griechenland, die historische Region Mazedonien, das antike Königreich, die gleichnamige byzantinische Provinz oder auch die frühere jugoslawische Teilrepublik. Alle diese genannten Gebilde sind zwar in derselben Gegend angesiedelt, sind aber bei Weitem nicht deckungsgleich. Die Brisanz dieses Themas zeigt sich insbesondere darin, dass Griechenland nach dem Zerfall Jugoslawiens darauf bestand, dass die nun unabhängige Teilrepublik nicht „Mazedonien“ heißen durfte, sondern – zumindest im völkerrechtlichen Sprachgebrauch – die umständliche Bezeichnung „Former Yugoslav Republic of Macedonia“ (kurz „FYROM“) erhielt. Dass beide Länder ihren größten Sohn für sich reklamieren, versteht sich von selbst – so wurden etwa sowohl der Flughafen der mazedonischen Hauptstadt Skopje als auch der der griechischen Metropole Thessaloniki nach Alexander dem Großen benannt. (Mittlerweile wurde der Namensstreit – wohl nicht ganz freiwillig – beigelegt; seit dem 12. Februar 2019 nennt sich das Land offiziell „Република Северна Македонија“ – „Republik Nordmazedonien“.)

Wir hatten schon zwei Mal mit diesem kleinen Land, das mit ca. 25.700 km² nur etwa 7% der Fläche der Bundesrepublik entspricht, Bekanntschaft gemacht: Im letzten Jahr (2016), als wir, aus dem Kosovo kommend, Mazedonien entlang des Flusses Vardar von nordwestlicher in südöstlicher Richtung durchquert hatten und in Dojran am gleichnamigen See (und in unmittelbarer Nähe zur griechischen Grenze) eine Nacht verbracht hatten, sodann in diesem Frühjahr, wo wir im Rahmen unserer Albanienreise einige Tage in Ohrid Quartier genommen hatten. Ohrid stand auch in diesem Herbst fest auf der Agenda, eigentlich war noch ein Abstecher nach Albanien geplant, jedoch erwies sich Mazedonien als „hinreichend attraktiv“, dass wir uns ganz auf dieses Land beschränkten.

Unsere „großen“ Reisen unternehmen wir ja seit Jahren auf unseren Motorrädern. Dem Aufwand für die Anreise und der ungewissen Wetterlage Rechnung tragend, entschieden wir uns diesmal für eine Flugreise.

Mazedonien ist ein recht preiswertes Reiseland. Akzeptable bis gute Hotels sind ausreichend vorhanden, das Reisen im Land ist preiswert mit Bussen und Taxis zu bewerkstelligen. Ich gebe hier im Bericht zumeist die in Euro umgerechneten Preise an. (Währung in MK ist der mazedonische Denar (MKD), der sich in einem ziemlich konstanten Wechselkurs zum Euro bewegt, derzeit entsprechen MKD 100 etwa € 1,63.)

Mazedonien hat zwei internationale Flughäfen – Skopje („Alexander der Große“/SKP) und Ohrid („Apostel Paulus“/OHD). Letzterer wird leider von Deutschland aus (derzeit) nicht direkt angeflogen, ein Kurztrip nach Ohrid wäre sonst sehr attraktiv. (Aktualisierung Oktober 2022: Zwischenzeitlich hat sich die ungarische WIZZAir sehr ost- und südosteuropäischen Destinationen zugewandt; so wird etwa Ohrid derzeit u. a. von Dortmund aus angeflogen.)

Diese Reise fand vom 30. September bis 15. Oktober 2017 statt.

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Tag 1: Anreise (Dortmund–Skopje–Prilep)

   
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Es kommt uns sehr entgegen, dass Skopje von der ungarischen WIZZ Air von Dortmund aus angeflogen wird. Kurz vor neun heben wir ab und landen pünktlich um 11.15 Uhr in Skopje. Da der Rückflug schon ganz früh morgens starten soll, wollen wir uns die Hauptstadt für das Ende der Reise aufheben, also orientieren wir uns zunächst zu unserem ersten Ziel, das Städtchen Prilep. Da es noch früh am Tag ist, wollen wir den Weg dorthin per Bahn in Angriff nehmen, denn die Streckenführung soll durch malerische Landschaften führen, wovon wir im letzten Jahr schon einen ersten Eindruck gewinnen konnten. Aber zunächst müssen wir eh vom etwas außerhalb gelegenen Flughafen in Richtung Stadt, um dort am Hauptbahnhof den Zug nehmen zu können. Ich tausche etwas Geld und kaufe die Bustickets; als wir dann merken, dass wir noch eine gute Stunde bis zur Abfahrt warten müssten, disponieren wir um und steigen in ein Taxi. Der Taxifahrer schüttelt angesichts unserer Eisenbahn-Ambitionen den Kopf und bietet uns an, uns für € 55,- direkt nach Prilep zu chauffieren. Nach einigem Hin und Her willigen wir ein, was ich jedoch später etwas bereue. Nicht wegen des Preises der Taxifahrt, sondern wegen der dann doch entgangenen Bahnfahrt. Zunächst über ein Stück Autobahn, das wir im letzten Jahr auch schon per Motorrad befahren haben, dann über kleinere Landsträßchen, geht es die gut 110 Kilometer nach Prilep. Bei Booking.com haben wir uns das „Kostoski Inn“ rausgesucht (ohne jedoch zu buchen), das wir nach einigem Fragen und nach drei Telefonaten unseres Fahrers auch finden – an einer Hauptstraße etwa 15 Gehminuten vom Prileper Zentrum. Der Inhaber, ein junger Mann um die 30, erwartet uns schon. Er betreibt die kleine Pension zusammen mit seiner Frau und seinen Eltern, bislang scheinen nur zwei Zimmer bezugsfertig zu sein. Zügig richten wir uns in unserem komplett eingerichteten und picobello sauberen Miniapartment ein, Rendel ist froh, sich wegen ihrer Kopfschmerzen schnell etwas hinhauen zu können.

Während wir ein wenig dösen, höre ich draußen Stimmen auf Englisch, dann klopft es an der Tür. Ein junges Paar ist eingetroffen und möchte sein vorgebuchtes Zimmer beziehen. Es stellt sich heraus, dass unser Vermieter uns für die gebuchten Gäste gehalten und uns entsprechend das (einzig freie) Zimmer gegeben hat. Unser Taxifahrer hatte wohl erwähnt, dass wir die Adresse von Booking.com hätten, was dann zu dem Missverständnis führte. Mir ist es etwas unangenehm, es ist jedoch klar, dass das nicht unser Verschulden ist. Schließlich gelingt es unserem Vermieter, den beiden ein anderes Quartier zu vermitteln.

Etwas ausgeruht trinken wir auf der Terrasse einen Tee und lassen uns vom Inhaber ein paar Tipps geben. Zudem klären wir das morgige Frühstück, das im Zimmerpreis von € 20,-/Nacht nicht inbegriffen ist und extra bestellt werden muss (€ 5,- p.P.).

Prilep ist ein Landstädtchen, gleichzeitig Sitz der gleichnamigen Opština, der kleinsten kommunalen Verwaltungseinheit. Diese hat knapp 80.000 Einwohner, wobei auf Prilep-Stadt etwa 66.000 entfallen; die Opština ist also etwa so groß wie unsere Heimatstadt Lüdenscheid. Prilep und die Umgebung ist vor allem als Tabakanbaugebiet bekannt, was uns auch auf unserem abendlichen Gang in Richtung Innenstadt gleich ins Auge fällt: Überall finden sich Darren oder ähnliche, dafür geeignete Vorrichtungen und Gestelle, auf denen Tabakblätter trocknen, die mittlerweile schon die charakteristische braune Farbe angenommen haben. Später erfahren wir, dass die Ernte nicht nur den Eigenbedarf deckt, sondern von großen Tabakkonzernen, hier zumeist „Philip Morris“, aufgekauft wird. Weitaus auffälliger als die vergleichsweise blassen Tabakblätter sind jedoch die überall auf Schnüren aufgezogenen und zum Trocknen aufgehängten Paprikaschoten – vom großen Gemüsepaprika bis hin zu scharfen Peperoni. Egal ob in den Städten oder auf dem Land – kaum ein Blickwinkel ist möglich, in dem nicht das leuchtende Rot die Szene bestimmt. Das soll dann auch – in den verschiedensten Variationen – mein meistfotografiertes Motiv auf dieser Reise werden.

Okay, Tabak und Tomaten – aber was wollt ihr denn in dem Kaff? Einige Kilometer nördlich soll es eines der schönstgelegenen Klöster Mazedoniens geben. Dieses Ziel hatte ich eigentlich schon für das letzte Frühjahr auf der Liste, lag dann aber fahrtechnisch doch zu ungünstig. Nachdem wir mit unserem Pensionswirt noch die Details für unsere morgige Fahrt dorthin besprochen und uns Restaurantempfehlungen haben geben lassen, machen wir uns auf den etwa viertelstündigen Fußmarsch in Richtung „City“. Es bestätigt sich der Eindruck, den wir schon auf unserer Taxifahrt und auch in Albanien gewonnen haben: Viele Gebäude sind heruntergekommen, teilweise Ruinen, wobei offensichtlich ist, dass dies wohl dem Umstand geschuldet ist, dass die Bevölkerung zumeist recht arm ist. Im Gegensatz zu Albanien, wo 50% der Autos Mercedes sind (und seien sie noch so alt), beherrschen hier ältere Kleinwagen und Mittelklassefahrzeuge, nicht selten auch Uralt-Karossen jugoslawischer Provenienz („Zastava“ u. ä.), das Straßenbild. Die Szenerie erinnert uns an die Türkei vor 30 Jahren – einfach, sehr improvisiert, aber durchaus nicht unsympathisch. (Wobei ich noch vorausschicken möchte, dass unsere Unterkünfte zumeist wie geleckt sauber waren, inkl. Bäder und Toiletten.)

Die Prileper Innenstadt ist unspektakulär, der ältere Teil wartet mit einigen bescheidenen Sehenswürdigkeiten auf, etwa einem halbverfallenen Hamam (Badehaus), einer alten Moschee und einem gut erhaltenen Uhrturm. (Den deutschen Soldatenfriedhof und die außerhalb gelegene Festung Markovi Kule haben wir nicht besichtigt.)

Wir durchstreifen einige Male die kurze Fußgängerzone und entscheiden uns, im italienisch angehauchten Restaurant Del Posto zu essen. Zwar war es ein schöner Herbsttag, aber um draußen sitzen zu können, müsste es doch wärmer sein. Das Essen ist ganz akzeptabel, lediglich die laute Musik nervt. Und im ersten Stock, wo man auch sitzen kann, feiert eine Zwölfjährige mit ihren Freundinnen lautstark ihren Geburtstag (während die Eltern, die an unserem Nebentisch sitzen, darauf warten, dass die Party endlich vorbei ist).

Zufrieden mit dem ersten Tag, machen wir uns zu Fuß in Richtung Unterkunft auf. Die Nähe zur Hauptstraße lässt uns im Blick auf die Nachtruhe erst etwas skeptisch sein, der doch eher spärliche Verkehr und die gut isolierenden Fenster sorgen dann aber doch für eine gute Nacht.

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Tag 2: Prilep/Kloster Treskavec

Ich muss zugeben, dass ich – als Hardcore-Protestant – zur orthodoxen Spiritualität kein bzw. ein ambivalentes Verhältnis habe. Mazedonien ist, wie viele Balkanstaaten, ein augenscheinlich „christlich“ geprägtes Land, wobei das „augenscheinlich“ ruhig wörtlich genommen werden kann, denn christliche Bauten, Symbole und Bezeichnungen finden sich überall – angefangen von den teilweise riesigen, weithin sichtbaren, mitunter beleuchteten Kreuzen auf den Bergen über die vielen, über das ganze Land verstreuten Klöster und Kirchen bis hin zum Flughafen von Ohrid, der nach Paulus, dem großen Völkerapostel benannt ist. Sicher gibt es eine tief verwurzelte Volksfrömmigkeit, die sich z. B. darin äußert, dass sich selbst jugendliche Taxifahrer, wenn sie an einer Kirche vorbeifahren, bekreuzigen. Ob und inwieweit das alles von einem „echten“ Glauben unterfüttert ist, vermag ich nicht zu sagen, kann aber doch angezweifelt werden. Andererseits muss selbst ich zugeben, dass mich mancher Ausdruck dieser Frömmigkeit schon überwältigt hat, etwa dann, wenn man ein äußerlich unscheinbares Kirchlein betritt, um dann in seinem Inneren förmlich erschlagen zu werden – von Schönheit und Pracht. (Zum ersten Mal erlebte ich das so deutlich im [serbisch-orthodoxen] Kloster von Decan im Kosovo, und auch auf dieser Reise konnte ich mich dem nicht entziehen.)

Zum Kloster Treskavec zieht es uns jedoch zunächst wegen der als traumhaft beschriebenen Lage, das „Setting“ sollte förmlich mystisch wirken. (Hier spielen auch wesentliche Passagen des bekanntesten mazedonischen Films, „Vor dem Regen“, der leider derzeit nicht auf Deutsch erhältlich ist.) Wir wollen uns per Taxi zum Kloster bringen lassen und zurück dann auf dem kürzeren Weg querfeldein gehen. Zunächst genießen wir in der Morgensonne jedoch das opulente Frühstück mit schmackhaften Tomaten, Peperoni, Schafskäse und Honig aus der Wabe. Während wir auf unseren Fahrer warten, kommen wir noch kurz mit dem Engländer ins Gespräch, der das zweite Zimmer bewohnt. Zusammen mit einem Trupp von Landsleuten frönt er in diesen Tagen einem besonderen Hobby: GPS-unterstützter Orientierungslauf in den Bergen nördlich von Prilep.

Unser Taxifahrer bringt uns auf teilweise halsbrecherischem Kurs die gut 15 Kilometer zum Kloster, will dann dafür umgerechnet € 2,50 haben. Nicht zum letzten Mal auf dieser Reise frage ich mich, wie die Leute hier auf ihre Kosten kommen, denn schließlich sind z. B. die hiesigen Spritpreise auch nicht so weit von den unsrigen entfernt. Aber er ist zufrieden, warum sollte es uns dann anders gehen?

Besagte 15 Kilometer führen von Prilep um den Berg Zlatovrv, an dem das Kloster liegt, herum, man nähert sich also von Norden, Luftlinie – und der folgt auch in etwa der Fußweg – sind es etwa 8 Kilometer.

Von einer „mystischen Stille“ scheint das Kloster derzeit weit entfernt zu sein, das Kreischen einer Steinsäge lässt kaum Beschaulichkeit aufkommen. Wie so oft, handelt es sich bei Treskavec um ein Marienkloster, es firmiert folglich auch unter dem Beinamen „Bogorodica“, was für „Muttergottes, Madonna“ steht (eine Bezeichnung, die einem auf dem Balkan immer wieder begegnet). Das Kloster wurde im 12. Jahrhundert errichtet, die ältesten erhaltenen Fresken stammen aus dem 16. Jahrhundert, mithin byzantinisch. Besonders ins Auge fällt eine „Christos Pantokrator“-Darstellung, die einen dunkelhäutigen, ja schwarzen Christus zeigt – ich wüsste gerne, was den Künstler bzw. Auftraggeber dazu bewogen hat.

Was für das Ohr die Steinsägen, sind zum Zeitpunkt unseres Besuchs für die Augen die Gerüstkonstruktionen, die das Hauptschiff umgeben. Die Baumaßnahmen scheinen Teil der Wiederaufbauarbeiten zu sein, die nach einem schweren Brand Anfang 2010 notwendig wurden. Trotz allem beeindruckt immer noch das aufwändig gestaltete Innere, ausnahmsweise fehlt der sonst obligatorische Hinweis auf das Fotografierverbot im Innern. Die Stätte ist heute nur mäßig besucht, auffällig für uns, dass die Gläubigen die Klosterkirche nur rückwärtsgehend und unter mehrmaligem Bekreuzigen verlassen.

Wir suchen unsererseits den „Einstieg zum Ausstieg“, sprich die Stelle, wo der Pfad für unseren Rückweg anfängt. Insbesondere von unseren Kappadokienreisen sind wir bizarre Felsformationen gewöhnt. Natürlich ist diese zentraltürkische Tuffsteinlandschaft einzigartig, die das Kloster umgebende Berglandschaft braucht sich jedoch auch nicht zu verstecken. Nachdem wir einige hundert Meter bergab gewandert sind, erkennen wir, wie sich das Kloster zwischen die Felsen duckt. Vor allem die verschiedenen Farbschattierungen, in denen das Gestein schimmert, haben es uns angetan. Zum Glück ist der Pfad hinunter nach Prilep markiert und die leichte Bewölkung sorgt für eine angenehme Temperatur. Überall finden sich Spuren von Bränden, die im Frühjahr und Sommer großflächig in der Gegend gewütet haben, erste hellblaue, krokusartige Blüten geben den schwarz verkohlten Flächen schon wieder etwas Farbe. Unterbrochen von vielen Pausen kämpfen wir uns bergab, die Strecke erweist sich doch als weiter als erwartet. Im Dorf am Fuß des Berges sollten wir Einwohner bitten, uns ein Taxi zu rufen, allerdings ist das Dorf noch nicht in Sichtweite. Ich stelle fest, dass ich – wie auf fast jeder Reise – wieder einmal meine Mütze habe liegen lassen; der Gedanke, dass jetzt eine Ziege mit meiner Jack-Wolfskin-Kappe rumläuft, macht mich ganz kirre.

Auf dem Feldweg kommt uns ein klappriges Gefährt entgegen, Nachbau des Ur-500er-Fiat. Der Fahrer würdigt uns keines Blickes. Wir schleppen uns weiter, vorbei an Tabakfeldern. Schließlich taucht die Nuckelpinne wieder auf, hält, und der Fahrer fragt uns auf Deutsch, ob er uns mitnehmen kann! Der ältere Herr erzählt, dass er vor vielen Jahren in Deutschland gewesen ist. Auf unsere Frage, wo er seinerzeit gelebt hat, antwortet er so, wie wir üblicherweise auf diese Frage entgegnen: „In der Nähe von Dortmund.“

„Ja – und wo genau?“

„In Lüdenscheid.“ Wir sind natürlich etwas geplättet angesichts der Tatsache, hier einen Einheimischen zu finden, der in unserer Heimatstadt gewohnt hat. Damit wird es natürlich unmöglich, die Einladung zu ihm nach Hause auszuschlagen. Kiril, so heißt unser neuer Bekannter, hatte seinen außerhalb der Stadt gelegenen Garten inspiziert und zeigt sich frustriert, denn die „Zigeuner“ hätten den Großteil seiner Ernte geplündert. Auf dem Weg zu seinem kleinen Häuschen in einem Ortsteil von Prilep müssen wir dann auch durch eine von Roma bewohnte Gegend. Auch ohne ausgeprägte Vorurteile gegen diese Bevölkerungsgruppe kann einem hier ziemlich mulmig werden – so viel Schmutz, fast nicht passierbare Straßen, verdreckte Gestalten. Auf jeden Fall sind wir froh, hier nicht zu Fuß und alleine durch zu müssen. Der Zugang zu dem kleinen Anwesen von Kiril ist durch ein großes Tor versperrt, Kalina, seine Frau, schließt uns auf. Wir stellen uns vor, und während Kalina schnell den Tisch abputzt und Stühle herbeischafft, flitzt Kiril in den nächsten Laden, um Bier zu besorgen. Auch hier im Garten herrscht das schon gewohnte „gepflegte Chaos“, alles, was noch irgendwie verwertbar erscheint, liegt rum, dazwischen ein Gemüsegarten mit Paprika, Mais, Tomaten, Gurken und Kräutern. Die Einladung zum Mittagessen lehnen wir dankend ab, laben uns jedoch an frischen Weintrauben, geröstetem Mais, Traubensaft, Bier und selbstgebranntem Rakija.

Die beiden waren Ende der 1960er/Anfang 1970er in Deutschland, haben sich dort kennengelernt, ihre Töchter sind in Lüdenscheid geboren und wohnen zum Teil noch in Deutschland. Aus dieser Zeit erhalten sie eine deutsche Rente von jeweils etwa € 150,-, ungefähr derselbe Betrag kommt noch einmal von mazedonischer Seite hinzu. Erstaunlich, dass beide nach so langer Zeit noch sehr akzeptables Deutsch sprechen. Nach gut einer Stunde verabschieden wir uns von unserer unverhofften Bekanntschaft und lassen uns per Taxi in unsere Pension bringen.

Mittlerweile etwas fußlahm, machen wir ein Nickerchen, bevor wir uns nochmal aufmachen, um den Tag bei einem schönen Abendessen ausklingen zu lassen. Es ist noch etwas früh, also schlendern wir noch einmal ein wenig durch den Ort. Unser Tipp für heute Abend lautet „Makedonska Kuka“, also „mazedonisches Haus“. Das Hinweisschild hatten wir schon am Vorabend gesehen, da es jedoch in Richtung eines nicht sehr attraktiven Innenhofes wies, hatten wir es nicht beachtet. Heute strömt eine kleine Gruppe Touristen (wie sich später herausstellt, Finnen) in besagte Richtung – wir schließen uns einfach an. Der Innenhof erweist sich als zu dieser Jahreszeit unbelebtes Gartenlokal, an dessen Ende der Eingang zum eigentlichen Restaurant liegt. Wir sind begeistert! Urgemütlich eingerichtet, dekoriert mit allerlei folkloristischem Zeug sowie Ikonen und religiösem Schnitzwerk, aber durchaus geschmackvoll. Als „geschmackvoll“ erweist sich auch das Essen – typisch mazedonische Küche, lediglich das Nationalgericht „Tavce gravce“ (Hauptbestandteil Bohnen) erweist sich als etwas „dröge“. Erfreut sehen wir, dass das „Makedonska Kuka“ auch eine Niederlassung in Ohrid, eines unserer nächsten Ziele, hat, müssen dann aber erfahren, dass das saisonbedingt schon geschlossen hat. So war dieser Tag auch kulinarisch keine Enttäuschung, auch im Blick auf die Rechnung, die sich, ohne den Wein, auf nur ca. € 24,- beläuft, sind wir gut weggekommen. Heute lassen wir uns mit dem Taxi zur Unterkunft bringen – „alt“ werden wir heute nicht mehr, denn der Tag hat uns schon ganz schön gefordert.

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Tag 3: Bitola/Heracleia

   
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Da unsere Reise vorhersehbar sehr „klosterlastig“ werden sollte, meine Vorliebe jedoch eher antiken Stätten gilt, hatte ich uns Bitola herausgesucht, in dessen unmittelbarer Nähe die alte römische Siedlung Heracleia Lyncestis liegt („Lyncestis“ in Abgrenzung zu etlichen weiteren Heracleias). Um diese Stätte in Ruhe besichtigen zu können, hatte ich zwei Nächte in Bitola eingeplant.

Heute Morgen sollte sich eine gewisse Unbeholfenheit unserer Gastgeber im Umgang mit Touristen zeigen. Da wir nicht ausdrücklich wieder ein Frühstück angemeldet hatten, gab es auch nix. Aber geschenkt! Wir lassen uns ein Taxi rufen, verabschieden uns von unseren Gastgebern und dem englischen Mitgast, der heute auch abreist, und lassen uns zum Busbahnhof bringen. Wir lösen die Tickets und Rendel besorgt noch schnell ein paar Sandwiches, die wir verdrücken, bevor wir den Bus besteigen. Nach zwei Stunden Fahrt durch eher unspektakuläre Gegend treffen wir in Bitola ein. Mit 75.000 Einwohnern (Stadtgebiet, auch Bitola ist wieder Verwaltungssitz einer „Opština“) ist die Stadt nur unwesentlich größer als Prilep, dies sichert ihr jedoch den Rang der zweitgrößten Stadt Mazedoniens (nach der mit 540.000 Einwohnern wesentlich größeren Hauptstadt Skopje). Als gute Unterkunftsempfehlung gilt das zentral gelegene „Bela Kuka“ („weißes Haus“) im Zentrum. Da es vom Busbahnhof zu weit entfernt ist, zumal wir Gepäck haben, nehmen wir uns ein Taxi, in diesem Fall eine besondere Erfahrung: Wo ist es heutzutage denn noch denkbar, dass ein Taxifahrer während der Fahrt ungeniert seine Filterlosen quarzt? Zwar liegt das Hotel unmittelbar an einer der Hauptgeschäftsstraßen, wovon wir jedoch in unserem nach hinten raus gelegenen Zimmer im dritten Stock nichts mitbekommen. Das Personal erweist sich als überaus hilfsbereit und freundlich, bittet lediglich um Vorkasse in bar für die zwei Nächte, wobei sich hier der Preis für die Nacht auf € 40,- inkl. Frühstück beläuft.

Es ist warm, aber Anfang Oktober nicht mehr soo heiß, sodass wir uns entschließen, schon in der Mittagszeit nach Heracleia zu fahren, wieder per Taxi. Diesbezüglich etwas verwöhnt, erweist sich die Ausgrabungsstätte als eher unspektakulär, lediglich die gut erhaltenen, großflächigen Mosaike sind wirklich sehenswert. Und natürlich hat es auch etwas, in einer Stadt zu stehen, die Philipp II., Vater des großen Alexander, einst gegründet hat.

Da uns die Besichtigung weniger Zeit als erwartet gekostet hat, beschließen wir, die zweite Nacht zu canceln und schon morgen weiterzureisen. Aber wir haben schon für zwei Nächte bezahlt … Ich bin schon ein wenig erstaunt, als uns der Hotelmanager anstandslos und ohne Diskussion den vollen Preis erstattet.

Während ich meinen Matratzenhorchdienst absolviere, macht Rendel – wie häufig – den Scout und erkundet die Stadt. Am späteren Nachmittag ziehen wir dann beide erneut los und besichtigen vor allem die lange Fußgängerzone „Sirok Sokak“ mit ihren imposanten Neo-Barock- und Renaissance-Fassaden. Wie fast überall in den Städten dieser Gegend finden sich auch hier eine Unzahl von Cafés, die meisten voll besetzt. Alles wuselig-schön! Wir orientieren uns Richtung Magnolija-Platz im Herzen Bitolas, wo wir auch schon das Restaurant „Grne“ entdecken, auch eine Empfehlung, wo wir heute essen wollen. Vorher schauen wir uns noch die Kirche Sveti („heiliger“) Dimitrij an, die lange als größte orthodoxe Kirche des Balkan galt, dazu das Denkmal Philipp II., den Uhrturm, den Bezisten und den alten türkischen Basar.

Jetzt haben wir aber Hunger! Es ist noch früh, im „Grne“ sind wir noch die einzigen Gäste. Leider wird das Restaurant seinem ihm vorauseilenden Ruf nicht gerecht, das Essen ist „unter aller Kanone“, das Fleisch dröge und zäh. Froh, keine Flasche Wein bestellt zu haben und deshalb noch länger ausharren zu müssen, zahle ich, wobei es sicher nur meinem guten Herzen geschuldet ist, dass ich dem Kellner trotzdem ein Trinkgeld gebe (der arme Kerl kann ja nix dafür).

Unser Hotel hat, neben einer schönen Café-Terrasse, auch ein kleines Restaurant, wo wir den Abend versöhnlich ausklingen lassen und für die nächsten Tage planen.

Nach den zwei Städteaufenthalten hatte ich nun etwas Ländlicheres auf dem Plan. Etwa sechs Kilometer östlich des Prespa-Sees sollte es im Dorf Brajcino am Rande des Pelister-Nationalparks einige alte Villen geben, in denen man gut und urig unterkommen könne. Allerdings war der Ort nur recht umständlich zu erreichen, zudem konnte ich nicht herausfinden, ob diese Unterkünfte geöffnet waren und was der Ort sonst noch bieten würde. (Übrigens: Wir werden oft gefragt, ob wir unsere Unterkünfte immer vorbuchen. Das ist schon aus Gründen der von uns gewünschten (und bei Motorradreisen auch erforderlichen) Flexibilität nicht der Fall. Ich versuche immer, auf der Route einige Adressen „in petto“ zu haben, wir steuern die Unterkünfte dann aber entweder auf gut Glück an oder, wenn das zu „risky“ erscheint, melden wir uns einen Tag vorher an, wobei wir seit Kurzem auch gerne Booking.com nutzen – allerdings ziehen wir es im Zweifel vor, dass unsere Unterkunftsgeber keine Kommission an ein Buchungsprotal zahlen müssen.)

Als Alternative hatte ich die „Villa Dihovo“ im gleichnamigen Dorf ausfindig gemacht. Pece, der Inhaber, soll hier ein kleines, ökologisch ausgerichtetes Hotel betreiben, zudem selbst Wein keltern und Bier brauen! Die Preisauskunft lautete, dass jeder das gibt, was er für angemessen hält. Interessant. Mir gelingt es noch, Pece per Mail zu erreichen – Zimmer frei, wir sind herzlich willkommen.

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Tag 4: Dihovo

   
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Wir genießen noch das ausgesprochen gute Frühstück im Bela Kuka und lassen uns dann die nur acht Kilometer nach Dihovo bringen. Irgendwie rumort es in meiner Bauchgegend … Vor der „Villa“, einem überschaubaren Komplex aus mehreren typischen Dorfhäusern aus Stein und Holz, das Haupthaus aus dem Jahr 1928, und einem schönen Garten mittendrin, begrüßt uns ein älterer Herr, der sich als Peces Vater herausstellt. Unser kleines, aber sehr schön ausgestattetes  Zimmer ist schon bereit. Wir richten uns schnell etwas ein und freuen uns über die augenscheinlich gute Wahl. Im Innenhof sitzen Michael und Monika, zwei junge Schweizer, die schon seit zwei Tagen hier sind und die augenscheinlich gerne wandern. Zur Einstimmung machen wir uns auch gleich zu einem Spaziergang entlang des nahen Bachs auf, zumeist eskortiert von zwei Hunden, die uns auch in den nächsten Tagen häufig begleiten. „Lonely Planet“, die ja gerne mit irgendwelchen Hitlisten oder „Best of“ aufwarten, haben die „Villa Dihovo“ auf Platz 7 der 50 „Most Secret Places in Europe“ gesetzt, zudem als einzigen dieser Orte in Mazedonien (wobei das „secret“ in diesem Fall wohl als „verborgen, versteckt“ zu übersetzen ist).

Während ich etwas ruhe, sitzt Rendel lesend im Garten und genießt schon einen leckeren Salat. Mittlerweile ist auch Pece eingetroffen. Später erfahren wir, dass er früher Fußballprofi war und heute als Lehrer in Bitola arbeitet, wobei die Pension sicher das Lukrativere ist. Außerdem wuseln auf dem Gelände einige Frauen, unter anderem Peces Mutter und seine Schwester. Diese sind gerade dabei, Ajvar und Lutenica zuzubereiten. Ähnlich dem Ajvar ist auch Lutenica eine Gemüsezubereitung aus Paprikaschoten (die vorher auf einem Ofen schwarz geröstet wurden, um dann die Haut abgezogen zu bekommen), Knoblauch, Chilischoten, Zwiebeln, Öl und Gewürzen. Ein großer Bottich dieser Köstlichkeit brodelt auf einem offenen Holzofen vor sich hin, wir dürfen gleich mal kosten.

Die Idylle wird kurz durch ein Fernsehteam gestört, das hier einen Beitrag dreht. Auch eine Störung, aber der angenehmeren Art, ist das leise Grollen von Motorrädern, zwei an der Zahl, mit slowenischem Kennzeichen. Ihre beiden Fahrer stellen sich jedoch als kanadisches Ehepaar heraus – Paulo und Cecilia. Sie haben ihre BMWs in Slowenien gemietet und sind auf einem Balkan-Trip. Schnell entspinnt sich ein Gespräch über Motorräder und Reisen, insbesondere unsere Türkeierfahrungen sprechen die beiden an, wobei für sie erst einmal eine andere Gegend auf dem Programm steht: Ihre eigenen Motorräder sind derzeit per Schiff auf dem Weg nach Chile, von wo es dann wieder Richtung Kanada gehen soll.

Vor dem Abendessen lasse ich mir von Pece eine Flasche seines selbstgebrauten Biers kredenzen – „trinkbar“ … Richtig gut hingegen ist sein Wein – er keltert regelmäßig verschiedene Sorten. Mit eingezogenem Kopf lassen wir uns den niedrigen Weinkeller zeigen, in dem einige tausend Flaschen lagern. Minus drei, denn die lassen wir uns zusammen mit den Kanadiern und den Schweizern an diesem Abend noch munden.

Hatte ich erwähnt, dass mein Bauch sich schon am Morgen gemeldet hatte? Den Tag über ging es, wie es mir nachts erging, darüber schweige ich lieber – abgesehen davon, dass es (ansonsten …) himmlisch ruhig war.

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Tag 5: Dihovo

Bettwäsche gewechselt …, dann Frühstück. Heute habe ich dafür mal keine Rückenschmerzen. Wir geben den Kanadiern noch einige Tipps für Albanien, die sie auch, wie sie uns später noch schreiben, beherzigt haben. Nach dem Frühstück brechen sie auf. Dabei kommt es zu einer ein wenig irritierenden Situation: Wie schon erwähnt, sind die Gäste gehalten, das zu geben, was ihnen der Aufenthalt wert war. Cecilia scheint nur einige Münzen zu geben, was Peces Mutter und Schwester wohl etwas irritiert (Pece selbst ist in der Schule). Die Kanadier scheinen auch kein Bargeld mehr zu haben, auf Kreditkarten sind sie hier nicht eingestellt. Was sich genau hinter dem Vorgang verbirgt, erschließt sich uns nicht, auf jeden Fall machten Paulo und Cecilia nicht den Eindruck, solche zu sein, die sich „für lau“ durchfüttern lassen wollen. Nun ja.

Wir machen uns auf die Socken, Ziel unserer Wanderung ist die kleine Klosterkirche Sveti Atanas. Vielleicht schaffen wir sogar die Strecke, die die Schweizer gestern gewandert sind. Der Weg nach Sv. Atanas ist gut markiert, führt zunächst ein wenig über eine Straße, dann über Felder und Wiesen in den Wald – aber immer bergauf. Ohne Plan können wir die Entfernungen schwer einschätzen, meinen des Öfteren, „Da muss es gleich sein!“, nur um dann festzustellen, dass es doch noch nicht die erhoffte Abbiegung war. Wir fragen zwei etwas verwegen aussehende Männer, die Beeren sammeln, nach dem Weg. Ja, wir sind noch richtig, aber es zieht sich. Rendel hat Migräne, aber ich will es schaffen. In Minietappen von jeweils 50 Schritten kämpfen wir uns weiter bergauf, immer nahe daran aufzugeben. An einem Rastplatz sehen wir zumindest wieder einen Wegweiser, dazu hängen im Gebüsch zwei Rakija-Gläser, leider ohne die dazugehörige Flasche … Ohne Frage: Die Gegend ist wunderschön, aber genauso sicher ist, dass wir die Route der Schweizer nicht im Traum würden schaffen können. Endlich lugt das Dach der Kirche Sveti Atanas an einem Hang durch die Bäume. (Später, in unserer Villa, sehen wir, dass die Strecke der Schweizer noch zwei bis drei Mal so lang gewesen wäre.)

Der Platz ist lauschig, wir sind ganz alleine. Einen Schlüssel, mit dem wir uns Zutritt in die Kirche hätten verschaffen können, finden wir nicht, aber rundherum gibt es Bänke und einen Grillplatz. Rendel schlägt die Glocke, die neben dem Gebäude aufgestellt ist, während ich mich hinlege – Migräne, die Anstrengung war für meinen untrainierten Körper wohl etwas heftig. Wir machen uns auf den Rückweg, ich immer noch mit Sehstörungen, weswegen ich gut auf dem Weg achten muss. Aber zumindest geht es bergab wesentlich leichter und flotter.

Gestern war noch ein Paar mit einem kleinen Jungen eingetroffen. Heute stellt sich jedoch heraus, dass es kein Paar ist. Sie ist alleinerziehende Peruanerin mit Wohnsitz in der Schweiz, der Mann ist gebürtiger Mazedonier und begleitet die beiden nur. Rendel unterhält sich mit der Frau im Garten, sie mokiert sich ein wenig, dass ihr Begleiter, immerhin ein Einheimischer, mehr Angst vor dem Reisen im Lande hat als sie.

Bevor wir uns zum Abendessen begeben, machen wir noch die morgige Unterkunft und den Transfer dorthin klar. 2016 waren wir schon mal im wunderschön an der Südspitze des Ohrid-Sees gelegenen Kloster Sveti Naum, sind aber nach kurzer Besichtigung schnell wieder geflohen, so sehr nervten uns die vielen Besucher und der ganze fromme Klimbim. Da das angegliederte Hotel jedoch überall gut besprochen war und eine idyllische Unterkunft verhieß, wollten wir es jetzt, außerhalb der Saison, nochmal versuchen – und buchen eine Junior-Suite mit Seeblick.

Also noch einmal lecker Abendessen (Shopska-Salat, Melemen (Türkei lässt grüßen!), Gemüsereis, Würstchen und zum Abschluss ein super-knuspriger Apfelstrudel). Zudem hat Pece uns eine Fahrgelegenheit nach Sveti Naum organisiert.

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Tag 6: Sveti Naum

   
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Wir waren ja gespannt, wie wohl zu diesen Zeit das Wetter in Mazedonien sein würde. Hinsichtlich der geografischen Lage liegen Dihovo und Sveti Naum in etwa auf einer Höhe mit Istanbul, Neapel und Madrid, wo im Frühherbst noch mit schönem Wetter zu rechnen ist. Allerdings spielt natürlich auch die Nähe zum Meer, die Höhe etc. eine Rolle. Wir hatten auf jeden Fall bis auf einen verregneten Tag immer blauen bis Schönwetterwölkchenhimmel, in höher gelegenen Gegenden konnte man die Abende allerdings kaum mehr draußen sitzend verbringen.

So können wir unser Frühstück in Dihovo noch draußen in der Sonne genießen. Wir überschlagen die Kosten, kommen großzügig gerechnet und summa summarum auf ca. € 130,-, ein Betrag, mit dem wir offensichtlich ganz richtig liegen. Sehr herzlich werden wir verabschiedet, unübersehbar der Eindruck, dass wir sehr willkommen waren und gerne wiederkommen dürfen.

Wie verabredet, fährt um Punkt 10 Uhr ein recht neuer Škoda Octavia vor, am Steuer Kamil, den aber alle Oliver nennen, ein Freund von Pece. Auch er ist/war eigentlich Profisportler, in diesem Fall Basketball, verdient sein Geld aber mit Tourismus-Dienstleistungen wie Transfers etc. „Oliver“ ist freundlich, gesprächig, und das mit sehr guten Englisch. Wir unterhalten uns über politische und wirtschaftliche Fragen, zudem gibt er uns Erläuterungen hinsichtlich der Gegend, durch die wir fahren, etwa die, dass es sich um das größte Apfelanbaugebiet Mazedoniens handelt und dass derzeit, wegen des russischen Importstopps aus der EU, viel von hier nach Russland geliefert wird. Der zweite Teil der Strecke, zugleich der schönste, ist uns schon bekannt: Wir fahren vom Prespa-See kommend durch den Galičica-Nationalpark über den gleichnamigen Pass, nach dessen Überquerung bietet sich der einmalige Panoramablick über den Ohrid-See bis nach Albanien. Schon um kurz vor 12 treffen wir am Kloster ein, stoppen aber vorher noch kurz an einem alten Bunker. Bunker sind in der Gegend wahrlich keine Seltenheit, vor allem auf albanischer Seite stand/steht in Grenznähe nahezu alle 100 Meter so ein Beton-Ungetüm. Dieser jedoch ist ein Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg, errichtet von der deutschen Wehrmacht (und heute mit Graffiti besprüht, was ihn nicht wirklich ansehnlicher macht).

Kloster- und Hotelanlage gehen nahtlos ineinander über, das heutige Hotel scheint früher Teil des Klosters gewesen zu sein. Unsere Junior-Suite wird ihrer Bezeichnung gerecht, für € 50,- inkl. Frühstück ein Schnäppchen: groß, komplett ausgestattet, schönes Bad, ruhig – und dann dieser einmalige Blick auf die Klosterkirche und den Ohrid-See dahinter! (Rendel erfährt später vom Rezeptionisten, dass außer dem unseren nur zwei weitere Zimmer belegt sind.) Besonders gefällt uns, dass von dem Rummel vom Vorjahr nichts zu spüren ist. Einige Besucher, die sich eher verlaufen, von den zig Nippesbuden nur zwei oder drei geöffnet. Gute Entscheidung, es doch nochmal zu wagen! Getrennt erkunden wir ein wenig das Areal, treffen uns dann auf der Restaurantterrasse auf einen Salat.

Den Ohrid- und den 170 Meter höher gelegenen und kleineren Prespasee „verbindet“ (im Wortsinn) eine tektonische Besonderheit: Abgesehen von einigen kleineren Zuflüssen und durch Regenwasser, bezieht der Ohridsee den Großteil seines Wassers durch ein unterirdisches hydraulisches System, durch welches das Wasser durch das poröse Karstgestein vom Prespasee in Richtung des größeren Bruders gedrückt wird. Neben dem Kloster ist die zweite Attraktion von Sveti Naum der direkt am Klosterkomplex gelegene Quellsee, in den das Wasser zunächst austritt, um dann mit etwa acht m³/Sek. in den Ohridsee überzutreten. Der Quellsee an sich ist strengstens geschützt, lediglich am westlichen Ufer durften sich einige gut an die Natur angepasste Restaurants und Bootsanleger ansiedeln. Selbstverständlich sind auf dem Quellsee nur Ruderboote erlaubt. Wir sprechen Zoran, einen der Ruderer, an, und er fährt uns über das kristallklare Wasser, das sich durch den Zufluss zwei Mal täglich erneuert und dabei eine konstante Temperatur von 12° C aufweist. Zoran scheint auch nach Jahren noch von der Natur begeistert zu sein, lässt sein Boot ruhig übers Wasser gleiten und zeigt uns die Stellen, wo das „Frischwasser“ am Grund des Sees austritt. Auf das Anstrengende seines Jobs angesprochen, meint Zoran, dass er kein zusätzliches Herztraining mehr brauche.

Vor dem Abendessen machen wir noch einen Rundgang im Abendlicht, fotografieren die stolzen Pfauen, die hier gehalten werden und die frei herumlaufen (darunter ein Albino), dazu emsige Eichhörnchen. Schließlich genießen wir noch an der Ufermauer den herrlichen Sonnenuntergang.

Das Restaurant „Ostrovo“ erstreckt sich über einige hundert Quadratmeter zwischen den Ufern des Ohrid- und seines Quellsees und unter ausladenden Bäumen. Besonders originell sind die vielleicht 10 mal 10 Meter großen überdachten, hausbootartigen Flöße, die vielleicht jeweils 20 Leuten Platz bieten und einige Meter vom Ufer ablegen können; einige verfügen sogar über einen Bollerofen, der das Sitzen auch bei kühleren Temperaturen ermöglicht. Obwohl es hier überall so lecker riecht, haben wir uns für das Hotelrestaurant entschieden, denn das war hervorragend besprochen. Um es kurz zu machen: die absolute Katastrophe! Keine Auswahl, Tiefkühlgemüse, Tütensoße. Sicher, es ist Nachsaison, aber so darf es nicht sein! Leider haben wir von dem Fraß schon zu viel zu uns genommen, um noch ins „Ostrovo“ wechseln zu können. Der zweite diesbezügliche Reinfall auf dieser Reise, was aber trotzdem eine unrühmliche Ausnahme bleiben sollte.

Das Kloster wurde im 9. Jahrhundert von Naum („Nahum“), einem Schüler der Slawenapostel Kyrill und Method, gegründet; er gilt als „Erleuchter der Bulgaren“ und ist, neben Sveti Kliment („Klemens“), einer der wichtigsten geistlichen Führer des Landes. Naum starb im Jahr 910 und wurde hier in dem nach ihm benannten Kloster begraben.

Nachdem wir im Frühjahr dort so wunderbar untergebracht waren, wollen wir die nächsten Tage in Ohrid gerne wieder in der „Villa Germanoff“ – und dort im „Pianozimmer“ – wohnen. Ich habe mir die E-Mail von Zoran Tuntev, dem Inhaber, schon zu Hause notiert; nach mehreren Versuchen meldet er sich – er befindet sich gerade auf einem Segeltörn im westlichen Mittelmeer. Erst hat er das Pianozimmer nur für eine Nacht frei, will aber sehen, was er machen kann. Ich kann nicht genau nachvollziehen, was verkehrt gelaufen ist, aber irgendwie bekommen wir keine abschließende Bestätigung, woraufhin wir uns eine andere Unterkunft raussuchen.

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Tag 7: Ohrid

   
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Wenigstens das Frühstück, das wir auf der Terrasse des Hotelrestaurants wiederum in der Morgensonne einnehmen, mundet. Wir müssen uns etwas sputen, um den einzigen Bus heute früh nach Ohrid zu kriegen. Während wir warten, lädt ein Taxi einige Gäste aus und ein neues Paar ein. Kurzentschlossen steigen wir dazu. Die Kosten werden pro Person berechnet, was sich jedoch im niedrigen einstelligen Eurobereich bewegt (für immerhin 30 Kilometer Fahrtstrecke). Noch kurz einen Schlenker vorbei am mazedonisch-albanischen Grenzübergang, wo sich jedoch kein weiterer Fahrgast findet, dafür gabeln wir unterwegs noch ein älteres Paar Bauersleute auf, die in die Stadt wollen. Geduldig warten wir, bis alle an ihrem Bestimmungsort abgesetzt sind, dem ersten Ehepaar hilft der Taxifahrer sogar noch bei der Besorgung von Bustickets und dem sicheren Unterstellen ihres Gepäcks, weil der Bus erst später fährt. Dann sind wir dran, Destination „Villa Kale“, unweit der Festung von Ohrid und des Ikonenmuseums. Trotz der ganzen Gurkerei sind wir schon kurz vor 10 an der „Villa Kale“, einem zweistöckigen Neubau inmitten der Altstadt. Das Haus wurde als sehr schön und komfortabel gelobt, übertroffen nur noch von der Freundlichkeit der Inhaberin. Auf unser Klingeln hin öffnet uns ein nicht minder freundlicher alter Herr, der sich als Ljupco vorstellt und der sehr gut Englisch spricht. Er offeriert uns sein „bestes Zimmer“, was nicht übertrieben ist: recht groß, kleiner Balkon, Blick über die Altstadtdächer auf den See, Preis: € 45 incl. Frühstück. Wir machen uns einen Tee, den wir auf dem Balkon in der Mittagssonne genießen. Schon beim Einchecken hat uns Ljupco einige Tipps gegeben. Zunächst werden wir uns das nur 100 Meter entfernte Ikonenmuseum anschauen, später dann die Forellenaufzuchtstation am anderen Ende der Stadt. Und auch die für mich wichtigste Auskunft kann Ljupco geben: Ja, das Restaurant „Kaneo“ hat noch geöffnet. Super!

Auch wenn uns die spirituelle Komponente von Ikonen nicht anspricht, imponiert die künstlerische Machart durchaus, Rendel hat es vor allem eine echt witzig wirkende Darstellung eines Heiligen angetan. Das Ikonenmuseum von Ohrid zählt zu den bedeutendsten der Welt; leider ist auch hier das Fotografieren verboten. Künstlerisch eindrucksvoll ist auch die benachbarte Kirche Maria Peribleptos. Früher waren auch die Außenseiten der Kirchenmauern bunt bemalt, zum Schutz der Bilder wurde dann eine zweite Mauer darumgezogen, womit eine Art Wandelgang entstanden ist.

Der Ohridsee und seine Umgebung sind nicht zuletzt für die Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen, manche davon endemisch, bekannt. Vor allem die Ohridforelle ist vielen ein Begriff. Um ihrem Aussterben durch Überfischung vorzubeugen, wurde im Ohrider Stadtteil Biljana eine wissenschaftlich begleitete Aufzucht- und Forschungsstation errichtet, das Hydrobiologische Institut Ohrid. Wir marschieren die Uferpromenade in südlicher Richtung entlang, bis wir auf den Biljana-Kanal stoßen. An dessen landeinwärtigem Ende befindet sich das Institut, das aus einer alten Villa, einer Anlage von Außenbecken und einer Halle mit vielen kleineren Aufzuchtbecken besteht. Am Betreten der Halle werden wir wegen Kontaminierungsgefahr gehindert, dafür nimmt sich Dusica Ilik-Boeva, eine der leitenden Wissenschaftlerinnen, die sich ganz den Ohrid-Forellen verschrieben hat, unser an. Ausführlich und sehr detailliert beschreibt sie uns die Forschung an den Lebensbedingungen der Forellen und die daraus resultierenden Methoden zur Nachzucht. Hätten wir alles behalten, wüssten wir heute sehr viel über Ernährung, Zuchtmethoden, die Gefährdung dieser Tiere und vieles mehr. Auf jeden Fall scheint diese Arbeit den Fortbestand dieser besonderen Fischart dauerhaft zu sichern. Nach so viel intellektuellem Input haben wir uns auch eine körperliche Stärkung verdient, die wir uns im nahe gelegenen Restaurant „Biljanini Izvori“ angedeihen lassen. Das Lokal ist schön mit Antiquitäten und nettem Nippes dekoriert; sicher könnte man hier auch gut essen, aber wir freuen uns schon lange auf das „Kaneo“.

Wir haben Glück: Für morgen ist Regen angesagt, heute können wir aber wohl noch draußen sitzen. Fix absolvieren wir den romantischen Weg über den Boardwalk direkt unterhalb der Steilküste und finden unseren Lieblingsplatz im „Kaneo“. Selbst „unser“ Ober ist noch da. Sehr kenntnisreich berät er uns, verblüfft mich jedoch vollends, als er mich bei der Weinbestellung fragt, ob es derselbe sein soll wie beim letzten Mal im Frühjahr! Beim Essen brauche ich jedoch keinen Rat – zu lange schon freue ich mich auf die Bachforelle mit Schinken- und Knoblauchwürfeln und dem phänomenalen Spinatreis als Beilage. Rendel bestellt die kleineren Belvica-Forellen, von denen sie dann gleich vier Stück bekommt. Mann, was geht es uns gut! Dieses obergute Essen und dann noch in dem Ambiente. Die Flasche Wein schaffe ich nicht, lasse ich mir für morgen aufheben, aber ein Rakija käme noch gut. „Gerne, derselbe wie im Juni?“ Und das ist nicht gefaked. Almir, so heißt unser Ober, bezeichnet diese seine spezielle Fähigkeit als „professionelle Deformation“. Beim Zahlen dann die „Hiobsbotschaft“: Morgen ist das gesamte innere Restaurant von einer Hochzeitsgesellschaft belegt, an ein Sitzen im Freien dürfte angesichts der Wettervorhersage nicht zu denken sein. Wir verbleiben so, dass wir einfach abwarten. Über die Planken am Wasser geht es zurück, im Hof des Restaurants „Sveta Sophia“ köchelt auch ein großer Bottich mit Lutenica auf dem Feuer, dann noch ein paar Treppen und wir sind in der „Villa Kale“.

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Tag 8: Ohrid

Wie vorausgesagt, hat es die ganze Nacht geregnet, Temperatursturz auf 4°C, auf die Gipfel der umgebenden Berge hat sich eine erste Schneeschicht gelegt. Nach dem Frühstück ziehen wir uns warm an, einen Schirm haben wir eh dabei, ab in die Stadt. Wir schauen uns die zentral gelegene Kirche Sv. Sophia und die der „Jungfrau Maria Bolnichka“ an, das Ethnologische Museum hat (wieder mal) zu. Der kalte Regen setzt uns zu, wir verkrümeln uns auf unser Zimmer und kümmern uns schon mal um die Bordkarten für den Rückflug, die uns Ljupno dann ausdruckt. An das „Kaneo“ ist heute nicht zu denken, Rendel würde es aber nicht übers Herz bringen, die angebrochene Flasche Wein verfallen zu lassen. Kurzerhand huscht sie mal eben rüber und holt die Flasche. Wir bekommen einen Platz im Restaurant „Sv. Sophia“ – mit Glück, denn kurz drauf füllen sich alle anderen Tische mit Gästen einer Gruppenreise. Wir essen auch hier gut, dabei musikalisch unterhalten von einer Folkloretruppe, gehen dann aufs Zimmer und lassen den Abend mit „Stenkelfeld“-Episoden ausklingen. Ljupno sagt uns zu, sich um ein Taxi für unsere Weiterfahrt nach Vevčani zu kümmern. (Später finden wir heraus, das „Ljupno“ bedeutet: „der Nette“ – Name ist wohl doch nicht immer Schall und Rauch …)

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Tag 9: Vevčani

   
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Wir verabschieden uns von Ljupno, bitten ihn noch, unbekannterweise Grüße an seine nette Frau Gordana weiterzugeben. Daraufhin wird er still, muss schlucken – und sagt uns dann, dass seine liebe Frau vor sechs Wochen gestorben sei! Wir kucken wohl etwas betreten, aber Ljupno lenkt das Gespräch schnell auf ein anderes Thema. Auch hier haben wir wohl unverkennbar einen guten Eindruck hinterlassen, sodass wir gerne wiederkommen können. Vevčani erreichen wir nach gut 30 Minuten. Wieder einmal haben wir die Unterkunft über Booking.com vorgebucht, was sich jedoch als überflüssig erweist, denn es ist schon absolute Nachsaison. „Pupin’s House“ scheint die beste Wahl zu sein. Noch in Ohrid fangen wir an, unsere Witze zu machen – „pup ins Haus“ etc.

Tatsächlich gehörte das Haus, das heute das kleine Hotel beherbergt, der Familie des serbischen Physikers Michail I. Pupin (1854–1935). Dessen Erfindung der nach ihm benannten Ladespule machte im vordigitalen Zeitalter die nahezu verlustfreie Übertragung von Telefonaten über weite Entfernungen erst möglich. Wir finden das Haus in einer Seitengasse, die Frau, die dort gerade sauber macht, entpuppt sich als die Inhaberin des Hotels, das Gebäude haben sie und ihr Mann gepachtet. Sie stellt sich als Elka vor und zeigt uns ein Zimmer. Als wir andeuten, dass wir wohl drei Nächte bleiben wollen, schließt sie ein noch wesentlich größeres Zimmer auf, sogar mit kleinem Balkon. Nachdem wir uns etwas häuslich eingerichtet haben, gehen wir auf einen Begrüßungsdrink runter. Elka spricht neben Mazedonisch nur Französisch, womit wir, vor allem Rendel, aber noch recht gut klarkommen. Elka und ihr Mann betreiben das Hotel zusammen mit einem Koch, wobei Elka im Hauptberuf Polizistin in Struga ist. Ihr Mann war mehrfach Bürgermeister von Vevčani, war aber früher Journalist, einen Job, den er, wie er sagt, mangels Fremdsprachenkenntnissen aufgeben musste. Zum Hotel gehört ein kleines Restaurant mit landestypischer Küche, wir sagen zu, das Abendessen hier einzunehmen.

Zwar ist der Himmel wieder klar und es ist trocken, trotzdem merken wir den Temperatursturz und den Umstand, dass der Ort schon etwas höher liegt. Um draußen sitzen zu können, bedarf es jetzt auch tagsüber schon wärmerer Kleidung, auch sind wir ständig dabei, unsere Stühle immer wieder in die Sonne zu rücken.

Wir hatten schon gelesen, dass Vevčani ein ganz besonderer Ort ist. Mit knapp 2.500 Einwohnern nur mehr ein größeres Dorf, hat es doch einen besonderen Status. Schon 1993, als die staatlichen Behörden den durch Vevčani fließenden Bach umleiten wollten, um das nahe gelegene Struga mit Wasser zu versorgen, begehrten die Einwohner Vevčanis auf und proklamierten eine eigene Republik. Dazu gehörten eine eigene Flagge, ein eigener Pass und natürlich eine eigene Währung, der Ličnik, dessen Banknoten ziemlich originell gestaltet sind. Auch wenn sich die Republik nicht behaupten konnte, hat das Dorf bis heute einen eigenen Abgeordneten im Parlament, zudem ein eigenes Autokennzeichen mit dem Kürzel „VV“.

Während wir noch draußen sitzen, kommt ein Nachbar und drückt uns frisch geerntete Birnen in die Hand. Elka erzählt, dass er erst kürzlich seine Frau verloren hat. Und für den Fall, dass wir noch ein paar Birnen klauen wollten: Sie ist Polizistin und schaut weg! Sowohl zu ihr als auch zu ihrem Mann Vasil entsteht schnell ein herzliches Verhältnis.

Wir machen uns zu einer der Hauptattraktionen des Ortes auf, zu den Quellen von Vevčani. In einem parkähnlich angelegten Areal rauscht es überall, von allen Seiten fließen kleine Bäche und Rinnsale zusammen, die sich dann am Ortsrand zum einem mittelprächtigen Flüsschen vereinen, das dann durch das Dorf Richtung Ohridsee fließt. In Vevčani wechseln sich gepflegte Wohnhäuser mit Ruinen, alten Scheunen und versteckten Gärten ab, dazu – wohin das Auge blickt – Paprika, Paprika, Paprika, hin und wieder ergänzt durch ebenfalls zum Trocknen aufgehängte Büschel von Zwiebeln und leuchtend gelbe Maiskolben. Der kleine Ortskern gruppiert sich um einen zentralen Platz, flankiert von drei, vier Cafés. In regelmäßigen Abständen kommt der Bus, der umständlich auf dem Platz wendet und der die Leute in die benachbarten Städte Struga und Ohrid bringt.

Die Bewohner sind offen, hin und wieder kommen wir ins Gespräch, etwa mit einem jungen Mann, der uns etwas über den besonderen Status des Ortes erzählt und der meint, dass sie sich ein wenig wie die Bewohner eines kleinen, wohlbekannten Dorfes fühlen … Ein Mann mittleren Alters grüßt freundlich, befragt uns nach unserer Herkunft und erzählt dann, dass er eigentlich Anwalt ist, seinen Unterhalt aber mit der Renovierung von Hausfassaden verdient. Außerdem erfahren wir, dass man schon in der Dorfschule Französisch lernen kann – so wie Elka und Vasil. Der Ort und die Umgebung sind recht sauber, lediglich im Uferbewuchs und an den Engstellen der vielen kleinen Bäche staut sich stellenweise der Plastikmüll. Ein Opi weist uns darauf hin und kommentiert kopfschüttelnd: „Nema kultura!“

Vevčani gefällt uns, wieder einmal erörtern wir kurz, ob man hier wohl leben könnte. Auf jeden Fall muss ich jetzt rein, es wird doch frisch. Wir drehen den Regler des elektrischen Heizkörpers auf unserem Zimmer auf MAX und gehen runter in die Gaststube. In einem Nebenraum bollert ein offener Kamin, innere Wärme vermittelt uns ein Gläschen Mastix-Rakija, dazu selbst gemachter Traubensaft und eine Vorabkostprobe des Abendessens. Wenn wir es richtig aus dem Mazedonischen transkribiert haben, heißt das Gericht „Vasili čarska zakuska“ – ein typisches Wintergericht, bestehend aus einer sehr scharfen, fast schwarzen Schweinswurst, getrocknetem Paprika, geräuchertem Schweinefleisch und Eiern. Der Appetizer überzeugt, wir bestellen es zum Abendessen. Angeblich sei das Gericht eine gute Grundlage zum Feiern, Trinken und Tanzen.

Nach dem Essen „unterhalten“ wir uns unter Zuhilfenahme von Google Translator noch länger mit Vasil. Er hat besonders mit seiner vorläufig überstandenen Krebserkrankung zu kämpfen, lebt mit der Angst, dass sie zurückkommen könnte. Während er aus diesem Grund das Rauchen eingestellt hat, pafft Elka munter weiter. Es gibt wohl auch in Mazedonien entsprechende Vorschriften, etwa in Gaststätten nicht zu rauchen, aber darum scheint sich kaum jemand zu scheren. (Ich mag das zwar auch nicht, ein bisschen imponiert mir jedoch trotzdem das ein wenig Anarchische, das den Dörflern hier zu eigen ist.)

Das Heizöfchen hat gute Arbeit geleistet, trotzdem besorgt sich Rendel noch ein zusätzliches Schaffell.

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Tag 10: Vevčani

Die Nacht war gut, der neue Tag begrüßt uns mit Vogelgezwitscher, blauem Himmel und ersten Sonnenstrahlen. Trotzdem ist es ziemlich frisch, okay, wir haben Mitte Oktober und Vevčani liegt auch schon 900 Meter hoch.

Für heute haben wir uns eine Wanderung vorgenommen. Vielleicht schaffen wir es in das malerische Dorf Gorna Belica, wenn nicht, dann mindestens bis Yankov Kamen. Die Kühle relativiert sich schnell, als wir die steilen Gässchen Richtung Waldrand erklimmen. Der anerkennend nach oben gerichtete Daumen einer jungen Frau, die wir nach dem Weg in Richtung Gorna Belica fragen, hätte mich eigentlich schon stutzig machen sollen … Vor uns entfacht sich ein Feuerwerk an Farben! Der herbstliche Wald glüht in der Sonne in allen denkbaren Schattierungen, und das vor makellos blauem Himmel – „Indian Summer des Balkans“. Von den Hängen rechts und links des Pfades suchen sich glitzernde Bächlein und Rinnsale den Weg, überall liegen frisch gefallene Ross- und Edelkastanien. Ein Traum für Naturliebhaber.

Wir missdeuten ein teilweise überwachsenes Tonnengewölbe als Reste einer Kirche, denn in der Nähe soll sich die Kirche von Sveti Spas befinden. (In unserer Fantasie ist Sveti Spas der Schutzheilige derer, die schon mal gerne Spass haben …) Während wir rasten, taucht ein englisches Ehepaar auf, das in entgegengesetzter Richtung die Strecke von Gorna Belica hinter sich gebracht hat. Während er recht kernig wirkt, ist sie eher ein „Püppchen“, die Gesichtszüge lassen auf etwas viel Botox schließen. Im Kontrast zu der eher damenhaften Kleidung und dem bunten Sonnenschirmchen stehen ihre derben Wanderstiefel und der Umstand, dass sie schon eine ganz schöne Strecke hinter sich gebracht haben. Auf jeden Fall sind beide äußerst nett, interessiert und auch wohl kundig. Und augenscheinlich – trotz vergleichbarem Alter – noch fitter als ich, denn sie machen sich noch auf, den Weg zur wirklichen Kirche von Sveti Spas zu erklimmen – und die liegt, wie wir mittlerweile erfahren haben, hoch über uns auf einem Hügel. Zwar hätten wir auch gerne den Syrer kennengelernt, der sie am Orteingang von Belica Gorna angesprochen hat, uns dämmert jedoch, dass der Weg bis dahin dann doch unsere Kräfte übersteigen würde. (Die beiden haben übrigens den großen Vorteil, dass sie von Manchester aus direkt nach Ohrid fliegen können.)

Auch der Weg bis Yankov Kamen zieht sich. „Jetzt müsste es doch langsam kommen …!“ Schließlich der eindeutige Abzweig, da ist es. Um „Yankov Kamen“ – „Fels des Yankov“ – ranken verschiedene Legenden, deren Kern aber besagt, dass der mutige Hirte Yankov von Widersachern unter einem riesigen Felsblock (dem „Kamen“) begraben wurde. Es ist ein schöner Aussichtspunkt mit einem kleinen See, an den sich ein großes Areal mit vielen Bänken und etlichen Grillstellen anschließt. Wir erörtern kurz, ob man hier nicht schön Rendels 60. Geburtstag feiern könnte …

Wie immer, gestaltet sich der Bergab-Rückweg einfacher und schneller; zurück im Ort belohnen wir uns mit Latte Macchiato und Tee im Café Piazza.

So klein Vevčani auch ist, kulinarisch ist es gut aufgestellt. Das Restaurant „Kutmečevica“ wird hoch gelobt, verheißungsfroh und hungrig machen wir uns auf den Weg. Doch wie groß ist die Enttäuschung, als wir uns in einem schmucklosen, bahnhofshallen-ähnlichen Speisesaal wiederfinden, indem dazu noch eine unsägliche Musik dröhnt? Noch bevor uns ein Kellner ansprechen kann, suchen wir das Weite. So ein Mist! Draußen sehen wir einen Mann, den wir am Vorabend im Restaurant von „Pupin’s House“ kennengelernt haben und der gut Deutsch spricht. Und er kann uns aus unserer Misere erlösen: Wir hatten den Wegweiser ins „Kutmečevica“ missdeutet, hätten noch ein paar Meter den Weg hinaufgemusst! Glücklich nehmen wir schließlich in dem schön eingerichteten Lokal Platz, die Fensterfront gibt den Blick über den Ort bis hin zu den Ausläufern des Ohridsees frei. Uns macht beide das „Vevčani-Gulasch“ an, dazu Salat und eine Paste aus grünem Paprika und Knoblauch. Ich bin froh, dass der Ober mein Ajvar vergessen hat – hätte ich kaum mehr geschafft. Schöner Ausklang eines herrlichen Tages! (Für die ganze Pracht haben wir übrigens – inkl. Wasser, einem halben Liter Wein und einem Bier – € 18,- bezahlt.)

Aber das ist noch nicht das Ende! Wieder „zu Hause“, lassen wir uns noch ein Stündchen vor dem Kaminfeuer nieder und genießen dabei noch Traubensaft und Mastix-Schnaps.

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Tag 11: Vevčani

Nach dem Frühstück bummeln wir durch den Ort. In südliche Länder nehme ich nie Rasierzeug mit, meist findet sich irgendwo ein Barbier. So lasse ich mich, während Rendel ein weiteres Restaurant für den Abend inspizieren will, schön machen. Die Friseurbude nennt sich „KGB“ (nach den Initialen des Inhabers und dem „B“ für Barbier). Der Meister, Vater zweier Kinder, erinnert mich an eine weitere echte Attraktion des Dorfes, die man jedoch nur an einigen Tagen im Januar erleben kann: den Karneval von Vevčani. Das muss wirklich ein Riesen-Event sein, der viele Besucher anzieht. Viele der Dörfler treiben einen ziemlichen Aufwand, so auch mein Friseur: Er zeigt mir ein Foto vom diesjährigen Karneval, auf dem er und ein Cousin zu sehen sind, stilecht verkleidet als Fred Feuerstein und Barney Geröllheimer – einschließlich eines 1:1-Nachbaus des Flintmobils!

So, nachdem ich mich wieder unter die Leute wagen kann, besorgen wir uns Börek, das hier „Byrek“ heißt und das wir auf einer Parkbank verspeisen. Rendel genießt lesenderweise noch ein wenig die Sonne, dann machen wir uns ein zweites Mal zu den Quellen auf. Ich habe mir eine fette Zigarre aufbewahrt, die ich dann dort in der Nachmittagssonne paffe. (Apropos „Sonne“: Bis auf den einen, exakt abgezirkelten Regentag in Ohrid, hatten wir durchweg schönes Wetter, zumeist blauen Himmel. Tendenziell hätten wir noch etwas mehr warme Kleidung gebrauchen können, war aber okay.)

Für den letzten Abend in Vevčani haben wir uns das „Via Ignatia“ ausgesucht, benannt nach der alten römischen Handelsstraße, die Konstantinopel mit der Adria verband und die hier in der Nähe vorbeiführte (an einigen wenigen Stellen ist noch das Originalpflaster erhalten). Der Fußweg ist etwas weit, aber in der Abendstimmung nett zu laufen. Zum Restaurant gehört ein Kleintier-Zoo und ein großer Gemüsegarten, aus dem sich die Küche augenscheinlich bedient. Die Atmosphäre ist stimmungsvoll-gediegen, ein etwas besseres Etablissement. Auch das Essen ist sehr gut, u. a. das bislang beste Ajvar dieser Reise (ich mag das so schier mit Weißbrot). Ambiente und Qualität schlagen allerdings auch hier nicht gleich auf die Rechnung durch, auch an diesem Abend bleiben wir im Bereich von € 20,-.

Morgen soll es auf unsere letzte Etappe gehen, in die Hauptstadt Skopje, von dort weiter nach Hause. Wir könnten mit dem Bus nach Struga und von dort mit dem Überlandbus nach Skopje, würden uns aber gerne auf dem Weg noch das Kloster „Jovan Bigorski“ ansehen, an dem wir im Frühjahr achtlos vorbeigefahren waren. Elka schlägt vor, ihren Bruder zu bitten, uns zu fahren. Er ist Lehrer, hat aber morgen frei, da der 11. Oktober ein Feiertag ist, Gedenktag für den antifaschistischen Widerstand. Für die vierstündige, etwa 200 Kilometer lange Strecke möchte er 5.000 Denar, also etwa 80 Euro haben. Der Bus wäre günstiger, aber wenn man bedenkt, dass davon schon gut 30 Euro für Sprit draufgehen und dass ein Lehrer seinen freien Tag einsetzt, um sich noch ein kleines Zubrot zu verdienen … Wir willigen gerne ein, zudem ist der Abstecher ins Kloster damit gesichert. Wir zahlen und Elka versichert uns, wie erfrischend, aufbauend und glücklich miteinander wir auf sie wirken würden. Und sie lädt uns ein, das nächste Mal kostenlos bei ihr zu wohnen!

Am Nachmittag hatten wir noch einige Zeit über dem Stadtplan von Skopje gebrütet, um eine günstig gelegene Unterkunft herauszufinden. Wir entscheiden uns für das „Guesthouse Iva“ etwa zwei Kilometer außerhalb des Zentrums von Skopje. Einmal bei Booking.com registriert, geht das ganz fix.

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Tag 12: Skopje

   
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Punkt 10 steht Elkas Bruder mit seinem Peugeot vor der Tür, bei immer noch herrlichem Wetter geht es, zumeist rechts den Schwarzen Drin, links Albanien, in Richtung Debar. Die Strecke sind wir im Frühjahr von Mavrovo kommend mit den Motorrädern gefahren. Heute können wir es als Beifahrer besonders genießen. An den bewaldeten Bergen zeichnen sich immer wieder weiß kleine Ortschaften ab; unser Fahrer erzählt, dass es zumeist immer rein muslimische oder rein christliche Dörfer seien. Er weist uns auf das wohl sehr attraktive Dörfchen Lazaropole hin, das ich im Frühjahr auch schon auf dem Schirm hatte und das wohl eine bessere Wahl gewesen wäre als der Ort, den ich uns rausgesucht hatte. Noch ein Grund, wiederzukommen!

Etwa 25 Kilometer nördlich von Debar biegen wir rechts ab und schlängeln uns den Berg hinauf.

Das Kloster Jovan Bigorski wurde Anfang des 11. Jahrhunderts von Mönch Jovan von Debar gegründet. Es besticht vor allem durch seinen guten baulichen Zustand und ist eine wichtige Pilgerstätte für die orthodoxen Gläubigen. Das Kloster ist Johannes dem Täufer gewidmet, der Zusatz „Bigorski“ verweist nicht, wie man annehmen könnte, auf einen (Nach)namen, „Bigor“ bedeutet vielmehr Tuffstein, ein Hinweis auf das dort zumeist eingesetzte Baumaterial. Die aktuelle „Besatzung“ des Klosters besteht aus vier Mönchen und drei Novizen, dazu bietet es Platz für Besucher, die eine Zeitlang am Klosterleben teilnehmen möchten. Auch dieses Kloster beeindruckt wieder durch die überbordende Pracht, und wieder können wir Gläubige beobachten, die Kerzen anzünden, beten und sich fast unablässig bekreuzigen (selbst unser Fahrer, der anscheinend kein Hardcore-Gläubiger zu sein scheint). Als uns ein wenig der Gesprächsstoff auszugehen droht, legt er eine CD ein – eine Art mazedonisch-indianische Ethno-Musik, eine stilistische Einordnung, der er lachend zustimmt.

Der Abstecher hat gelohnt, jetzt geht es ein gutes Stück durch den herrlichen Mavrovo-Nationalpark. Bis Tetovo geht es dann auf der Autobahn, das letzte Stück in quasi Dauerstau bis Skopje – wiewohl auch dieser Abschnitt seinen landschaftlichen Reiz hat, linker Hand zeichnen sich schneebedeckte Gipfel ab. Unser Fahrer kennt sich ausgezeichnet in Skopje aus, findet umgehend unsere etwas versteckt liegende Pension. Versteckt, ruhig, dabei nur 250 Meter vom Hauptboulevard entfernt. Im „Iva“ werden wir schon von Ljupka, einer freundlichen, extrem korpulenten Dame, die sehr gut Englisch spricht, erwartet. („Ljupka“ ist das weibliche Gegenstück zu „Ljupko, dem Netten“ aus Ohrid.) Sie ist etwas irritiert, weil sie mit drei Personen gerechnet und für die sie auch das Zimmer gerichtet hat. Das hätte sich auch im Preis niedergeschlagen, ich versichere ihr jedoch, dass wir auch den evtl. etwas höheren Betrag zahlen würden, schließlich haben wir ihn ja beim Buchen akzeptiert. Ihr lässt es trotzdem keine Ruhe, telefonisch bringt sie schließlich in Erfahrung, dass es ein Fehler auf der Buchungsplattform war. (Das Zimmer soll mit Frühstück € 40,-/Nacht kosten.)

Das Zimmer ist hell, in warmen Rottönen gehalten, freundlich, mit einem kleinen Balkon, die Pension liegt eher in einer Wohngegend. Uns fallen die Roma-Jungs auf, die mit kleinen Eselsfuhrwerken die Gegend nach verwertbarem Müll absuchen. Das ist wohl schon die luxuriösere Variante. In den nächsten Tagen sehen wir häufig grotesk überladene Fahrräder, auf denen sich bis zu zwei Meter hoch der Plastikmüll türmt.

Wir richten uns kurz ein, konsultieren Herrn Google im Blick auf ein gutes Restaurant und machen uns dann auf den Weg in die City. Wir merken uns als Wegmarke ein überlebensgroßes Reiterstandbild, hier müssen wir vom breiten Boris-Trajkovski-Boulevard ab in Richtung Pension. (Boris Trajkovski war von 1999 bis 2004 mazedonischer Ministerpräsident, von vielen bis heute hoch geachtet. Besonders an ihm war, dass er – im Gegensatz zur überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung – Methodist war, also einer evangelischen Freikirche angehörte. Er galt als nicht korrupt und setzte sich stark für die ungeliebte und vernachlässigte Minderheit der Roma ein. Unter nie ganz geklärten Umständen starb er bei einem Flugzeugabsturz; bis heute halten sich Gerüchte um ein Attentat.)

Wir hatten uns etwas zum Thema „Skopje“ eingelesen, stießen dabei auch immer wieder auf „Monumentalbauten“, „Kitschfassaden“, während der eine von „Disneyland“ sprach, korrigierte ein anderer: „Nee, eher Las Vegas“. Wir durften gespannt sein! Wir passieren das Parlamentsgebäude, das eher bescheiden wirkt, dann zeichnen sich jedoch vor uns die weißen Konturen von etwas ab, das stark an den Pariser Arc de Triomphe erinnert – der schneeweiße Triumphbogen Porta Makedonia (der manchem als „Mahnmal des Cäsarenwahns des [ehemaligen Ministerpräsidenten] Nikola Gruevski“ gilt). Aber das ist erst der Anfang. Durchschreitet man den Bogen, betritt man einen riesigen Platz, in dessen Mitte sich ein monumentales Reiterstandbild Alexander des Großen erhebt (überschattet nur vom Monsterklotz des Marriott-Hotels). Wir überqueren den Platz und gelangen an ein authentischeres Bauwerk, die „Kamen Most“, die alte Steinbrücke über den Vardar, den Fluss, der Mazedonien von Nordwest nach Südost diagonal durchschneidet. Was sich am jenseitigen Flussufer dem Auge bietet, ist in jedem Fall, so oder so, atemberaubend. Monumentalbauten mit neoklassizistischen Prunkfassaden und meterdicken Säulen. Besonders sticht der gewaltige Komplex des archäologischen Museums ins Auge. Dahinter das Opernhaus, der fast leere Platz davor in glasklarem Klang mit klassischer Musik beschallt. Neben der alten Steinbrücke führen noch etliche neuere Brücken ans andere Flussufer, die Geländer häufig gesäumt mit Standbildern von Helden oder Gelehrten. Im Fluss „ankern“ einige Schiffsnachbauten, die als Hotels dienen.

Rendel und ich sind uns nicht ganz einig, ob das eher schön und einfach nur prächtig oder eine gewaltige Ansammlung von Kitsch ist. Vielleicht hält es sich die Waage. Manches ist wirklich überladen, wirkt künstlich, anderes, etwa die fein gearbeiteten Skulpturen vor dem Schauspielhaus, sind wirklich schön anzuschauen. Offen bleibt allerdings die Frage, ob man das Geld nicht hätte sinnvoller einsetzen und trotzdem eine schöne Hauptstadt hätte erhalten können. Oder war es wirklich günstig, den Blick auf die alte, authentische Festung durch derartige Kunstbauten etwas zu verstellen? Eine neue „Attraktion“ ist übrigens im Bau: Als wir dort waren, wurde gerade in den Fluss hinein ein mächtiges Fundament gegossen, das einmal, nach Vorbild des „London Eye“, ein gewaltiges Riesenrad tragen soll. „Disneyland oder Las Vegas?“ Von beidem ein bisschen.

Allerdings soll das kein Verdikt über die ganze Stadt und die Stadt an sich sein. Nein, ansonsten wirkt Skopje lebensfroh, freundlich und quirlig, in jedem Fall auch eine (zweite) Reise wert!

Angenehm fallen die 200 roten Doppeldeckerbusse im Skopjer Stadtbild auf. In China hergestellt, ähneln sie dem berühmten Vorbild sehr, sind aber technisch auf der Höhe.

Auf dem Hinweg haben wir uns schon im „Stara Kuka“ (dem „alten Haus“, tatsächlich eines der ältesten noch erhaltenen Häuser Skopjes) erkundigt, ob man für den Abend bzw. fürs „Dinner“ reservieren müsse. Nein, entgegnet der Ober schmunzelnd, 18 Uhr, das sei ja fast noch „Lunch“, da wäre noch genügend Auswahl an Plätzen. Uns bleibt also noch Zeit für einen kurzen Abstecher in die Altstadt, das Basar- oder Türkenviertel. Den Sonnenuntergang genießen wir im Schatten des riesigen (alles hier ist riesig!) Skanderbeg-Reiterstandbilds, das die Sonne rotgolden erglühen lässt.

Jetzt aber Essen fassen! Das „Stara Kuka“ gilt restauranttechnisch als eine der ersten Adressen Skopjes, vergleichbar vielleicht noch mit dem „Makedonska Kuka“, mit dem wir ja in Prilep schon angenehme Bekanntschaft gemacht hatten. Die hiesige Niederlassung ist jedoch zu Fuß zu weit – und wir würden heute gerne im Bereich der Altstadt bleiben. Etwas vorsichtig geworden im Blick auf Rezensionen und Vorschusslorbeeren, nehmen wir Platz. Aber der Ruf als erstes Haus am Platze ist gerechtfertigt, das Essen erste Sahne, die Weinkarte imposant, die Bedienung aufmerksam und zugleich hinreichend locker und humorvoll. (Am besten war übrigens tatsächlich eine Beilage, das hoch gelobte Knoblauchbrot!) Überladen mit Eindrücken, überladen auch der Magen, machen wir uns auf den Rückweg und planen mit unserer Gastgeberin noch die Fahrt zu unserem morgigen Ausflugsziel.

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Tag 13: Skopje/Matka-Schlucht

   
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Die Matka-Schlucht und der in ihr gestaute See gelten als beliebtes Ausflugsziel für die Skopjer, es ist jedoch Donnerstag, also noch kein Wochenendtrubel zu erwarten. Mit einem überaus klapprigen Taxi machen wir uns auf den Weg, etwa 20 Kilometer sind es von unserer Pension. Etwas verwundert sind wir, dass der heimische Taxifahrer den Weg nicht wirklich kennt, etliche Male muss er fragen und wenden. Unnötig früh lässt er uns raus, wir müssen noch ca. 1.000 Meter gehen, bis wir zunächst die Staumauer und dann die ersten Bootsanleger erreichen. In der Schlucht wird seit 1937 der Fluss Treska zum Zweck der Stromgewinnung gestaut. Zum Glück ist die ganze Stau- und Kraftwerksanlage recht unauffällig. Eingangs des Sees, kurz hinter der Staumauer, befindet sich ein schön gelegenes Hotel mit Gartenrestaurant, eine Kirche sowie die Anleger für die kleinen Ausflugsboote. Zudem beginnt hier ein Wanderweg, der an den steil aufragenden Felsen verläuft. Zusammen mit einer holländischen Familie besteigen wir unser Bötchen und schippern auf dem See Richtung Süden. Ziel ist die Vrelo-Höhle, die bislang tiefste entdeckte Süßwasserhöhle der Welt. (Die tatsächliche Tiefe konnte auch bei Tauchgängen noch nicht ermittelt werden, letzter Stand: 200 Meter.) Wir betreten die Höhle über eine Treppe, in der schwachen Beleuchtung erkennen wir weißlich, grün und gelb schimmernde Stalagtiten und -miten. Anders als häufig gewohnt, sind sie eher knollenförmig. Das Wasser im See ist kristallklar, durch die Höhle flattern Fledermäuse.

Ich frage unseren „Käpt’n“, ein kerniger Machotyp, ob er schon mal ins Wasser gefallen sei, was er unter Lachen bejaht – und das sei ihm passiert, ihm, der unter seinen Freunden als „Jackie Chan“ bekannt ist …

Wir wandern noch ein ganzes Stück auf dem markierten und durch Geländer gesicherten Weg entlang. An einem Rastplatz treffen wir ein junges Pärchen, mazedonischstämmig, er aber in der Schweiz lebend, sie in Österreich. Sie mögen ihr Land, äußern sich aber sehr kritisch über manche Verhältnisse: „Die klauen alle“, meint er, womit er jedoch nicht Taschen- und Autodiebstahl meint, sondern die allgegenwärtige Korruption und Vetternwirtschaft. Dazu überall die Vermüllung, die Strompreise seien mit € 1,- pro Kilowattstunde für Normalverbraucher unerschwinglich.

Zurück am Parkplatz, suchen wir uns ein Taxi, der Fahrer spricht recht gut Englisch. Nach einigen Kilometern geht es an einer Baustelle vorübergehend nicht weiter, dem Fahrer sitzt ein Termin im Nacken, denn er hat zwei türkischen Frauen versprochen, sie nach der Tour mit uns auch am Stausee abzuholen. Ob wir vielleicht etwas Zeit hätten? Kein Problem, also zurück. Während wir noch auf die Frauen warten, entsteht zwischen unserem Taxifahrer und einem anderen ein heftiger Streit. Immer wieder will uns der andere bewegen, nicht zu warten, sondern mit ihm zu fahren. Unser Fahrer warnt uns jedoch, das seien Albaner ohne Taxilizenz – „very dangerous people“. Schließlich treffen die beiden türkischen Damen ein. Wir haben schon mitbekommen, dass es sich um eine Professorin mit einer ihrer Studentinnen handelt. Beide tragen Kopftuch, erweisen sich jedoch als sehr aufgeschlossen und freundlich, vor allem, als wir sie auf Türkisch ansprechen. Sie waren in Ohrid auf einem wissenschaftlichen Symposium. Ich hake nach: Die genaue Fachrichtung kann ich nicht verstehen, auf jeden Fall befassen sie sich mit Traumatherapie, sind dabei, entsprechende Einrichtungen in der Türkei zu installieren. Großes „Hallo!“, als sie hören, dass das genau Rendels Fachgebiet ist. Wir setzen die beiden zuerst ab, zum Abschied geben sie uns die Hand, was bei eher konservativen Türkinnen nicht selbstverständlich ist. Eigentlich müssen wir jetzt nur noch den breiten Boulevard hinauf, einmal rechts, einmal links … Aber unser Fahrer scheint eine Abkürzung zu kennen, die allerdings durch ganz Skopje geht. Ich hatte ihm den Boris-Trajkovski-Boulevard als Anhaltspunkt genannt, er hatte aber Trajkovski-Stadion verstanden, was in einer ganz anderen Ecke liegt. Schließlich ruft er in unserer Pension an und lässt sich den Stadtteil nennen. Wir sind überzeugt, an den schnellsten Taxifahrer Skopjes geraten zu sein, Rendel bemerkt, dass ich mich während der Fahrt immer wieder bekreuzige …

Mit Blick auf ein schönes Abendessen hatten wir es uns am Stausee verkniffen, etwas zu essen. Uns steht der Sinn mal nach was anderem als Fleisch, eine schöne Pizza käme da gut. Dafür empfiehlt sich das italienische Restaurant „Da Gino“, das in einem Einkaufszentrum nahe dem Hauptplatz einquartiert ist. Das Lokal ist groß, bei den noch milden Temperaturen spielt sich fast alles auf der riesigen, überdachten Terrasse ab. Es ist ein „echter“ Italiener, wovon auch die Weinkarte zeugt. Mir ist aber mehr nach frisch gezapftem Pils, wir nehmen beide jeweils eine Pizza, groß genug, um satt zu werden, zudem echt lecker.

Zurück nehmen wir den Weg über den Skulpturenpark, der sich gegenüber dem Parlamentsgebäude erstreckt. Originell und zugleich geschichtlich bedeutsam ist ein Denkmal, das eine Gruppe von Männern diskutierend an einem Tisch zeigt – dargestellt ist der „Antifaschistische Rat zur Befreiung Mazedoniens“, der über die Zukunft des Landes debattiert. Auch witzig, aber auch etwas heroisch-kitschig: eine überlebensgroße Prometheus-Statue im „Komplex der gefallenen Helden“. Pikantes Detail: Der ursprünglich völlig nackten Männerstatue wurde nachträglich, nach Protesten aus der Bevölkerung, eine Art Schlüpfer anmodelliert.

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Tag 14: Skopje

Erstaunlich, wie viel Gefallen wir, die wir sonst immer einen großen Bogen darum machen, an einer Großstadt finden. Aber ein paar Highlights stehen noch aus, und so machen wir uns nochmal auf. Wir besteigen den Triumphbogen, von der Aussichtsplattform hat man einen schönen Blick. Und natürlich muss ich als Archäologiefan auch noch in das Museum – schöne, auch gut sortierte und präsentierte Sammlung. Etwas abseits des Hauptplatzes gedenkt die Stadt ihrer bekanntesten Tochter, die hier 1910, als Skopje noch Teil des Osmanischen Reiches war und noch Üsküb hieß, geboren wurde: Anjezë Gonxha Bojaxhiu, besser bekannt als Mutter Teresa. In einem futuristisch-verspielten Bau sind Stationen des Lebens dieser Ordensschwester nachgezeichnet und etliche Dokumente, Bilder und sonstige Hinterlassenschaften zu sehen.

Auf der Straße redet ein älterer Herr unablässig auf uns ein – auf Mazedonisch, und augenscheinlich kommt er nicht darauf, dass wir kein Wort verstehen. Nur mit Mühe können wir ihn abschütteln. Gerne hätte wir noch das – natürlich auch riesengroße – Holocaust-Museum besichtigt, leider ist es wegen Renovierung geschlossen. Nachdem wir in Vevčani den Weg zur Kirche von Sv. Spas nicht geschafft haben, wollen wir uns wenigstens hier in Skopje noch die ihm geweihte Kirche anschauen. Sie befindet sich in der Altstadt. Angeblich wurde den Christen unter osmanischer Herrschaft die Errichtung der Kirche unter der Maßgabe gestattet, dass sie eine gewisse Höhe nicht überschreitet. Aus diesem Grund hat man sie ein Stück „tiefergelegt“, zum Betreten muss man einige Stufen hinabklettern. Wieder überwältigt die Pracht, vor allem die über weite Strecken geschnitzte Ikonostase, dreidimensional, plastisch, sehr detailliert. Fotografieren verboten, trotzdem machen wir aus der Hand ein paar Bilder. Die Kirche und der freistehende Glockenturm sind von einer Mauer umgeben, im Innenhof findet sich auch der Sarkophag des mazedonischen Volkshelden Golce Delčev (1872–1903).

Ausnahmsweise essen wir schon mittags „richtig“ – in der „Fressgasse“ bekommen wir günstig Kebab und gebratene Leber. Vorher genehmigen wir uns jedoch noch ein paar echt türkische Çay in dem kleinen Teehaus unter offenem Himmel in der Altstadt. „Voller Bauch läuft nicht gern“, deshalb nehmen wir uns ein Taxi, dessen Fahrer exakt denselben Fehler macht wie der gestern – er will uns zum Trajkovski-Stadion bringen (denn da gibt es auch ein großes Hotel). Schließlich finden wir – nach dem dreifachen der eigentlich notwendigen Fahrstrecke – zu unserer Pension. Von sich aus bietet der Fahrer uns an, nur den normalen Fahrpreis von 150 Denar zu berechnen, schließlich sei es sein Fehler gewesen. Fair und das Gegenteil von Betuppen.

Mit unseren Gastleuten klären wir noch den morgigen Flughafentransfer, der Mann möchte uns persönlich fahren. Zudem sollen wir abends doch noch kurz bei ihnen reinschauen, sie würden uns gerne noch selbstgekelterten Wein als Betthupferl zukommen lassen.

Wir gehen noch ein paar Meter bis zu einem Pizza-Imbiss, wo wir beide für € 2,50 fein lecker satt werden. Bei Ljupka und ihrem Mann holen wir uns noch Wein und Lokum ab, das wir als Abschluss auf dem Balkon genießen. Dann kurz unser Geraffel gepackt und den Wecker gestellt – um 3 Uhr muss es losgehen.  Das klappt dann auch reibungslos, schon um kurz nach acht Uhr am Morgen setzen wir pünktlich auf dem Dortmunder Flughafen auf.